Datum: 26.4.2014
Mittagsposition: Zuhause in Bayern
Autor: Milena
Hier sitze ich nun und schaue auf das leere Dokument, kann mich nicht konzentrieren. Nicht weil mir vom stetigen Schwanken des Schiffes leicht schlecht ist, nicht weil ich zu wenig geschlafen habe und mit den Gedanken schon in meiner kuscheligen Koje bin, da ich weiß, ich muss in 2 Stunden schon wieder zur Wache auf dem Achterdeck stehen und auch nicht, weil am Nebentisch Leute Karten spielen, Mützen häkeln und sich lautstark unterhalten. Nein, gerade, weil das alles fehlt, weil um mich herum so komplette Stille herrscht. Meine Blicke schweifen in meinem Zimmer umher, ich sehe mein viel zu großes Bett, vollgestopft mit Kissen, meinen großen Schreibtisch, den Sitzsack in der Ecke… und das alles ist unverändert, es scheint als hätte der ganze Raum ein halbes Jahr lang geschlafen und nur darauf gewartet, wieder von mir geweckt zu werden. Es ist komisch, weil es doch eigentlich richtig komisch sein müsste, stattdessen ist es gar nicht so komisch, sondern fast….ja, normal?! Mein Blick wandert zum Fenster und im ersten Moment erschrecke ich, bei dem Anblick von Häusern, Wiesen, Bäumen und Feldern. Ein Gefühl der Enge beschleicht mich, ich komme mir verloren vor, sehne mich danach, endlos weit in die Ferne zu schauen und nur blau zu sehen, nach dem Gefühl von Freiheit in mir drin, nach peitschenden Wellen und salzigem Wind. Und dann drehe ich mich wieder im Kreis und der Gedanke von Normalität ist verschwunden, alles was ich sehe, sieht falsch aus und ich muss tief durchatmen, die Augen schließen, um die Tränen zurück zu halten. Ich will sie nicht wieder öffnen, halte sie geschlossen und lasse meine Gedanken an einen anderen Ort ziehen, zu einem zweiten Zuhause, in eine andere Welt, die nur ein paar Stunden in der Zeit zurück liegt, noch so zum Greifen nah erscheint und doch in der Wirklichkeit so unerreichbar ist. Wir haben auf unserer Reise viel Emotionales erlebt, viel schier Unbegreifliches, manchmal lag ich Nachts wach in meiner Koje und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich der Meinung gewesen, mein Kopf würde jeden Moment bersten und in Einzelteilen in der Kammer herumfliegen. Ich weiß nicht, ob es in Zukunft betrachtet noch so sein wird, aber trotz allem war der gestrige Tag noch einmal in einer ganz anderen Dimension, aufwühlend, erschreckend, unvorstellbar, traurig und schön zu gleich, schmerzhaft und freudig, viel zu viel auf einmal, als dass es in einen Menschen hineinpassen könnte! Die Erinnerungen kommen zusammen mit den unterschiedlichsten Gefühlen, bringen mich abwechselnd zum Lachen und zum Weinen. Weiterlesen →